undefinedVor kurzem fiel mir eine Auto-Zeitschrift von 1977 in die Hände. Neben den heute lustig anmutenden Themen (ist der Opel Kadett besser als der Ford Taunus und was halten Sie von Stufenheck?) und der interessanten Werbung (viel Zigaretten und Tabak aber auch Platten- und Kassettenspieler etc) fällt auf, dass hier massiv Bildung betrieben wird. Es wird erklärt wie man einen Schaltplan liest. Wie man einfache Auto-Probleme selbst behebt (Zündkerzen reinigen, Ölfilter, Batterie wechseln etc). Sogar naturwissenschaftliche Themen werden angesprochen. Zu Motoren und Anlagen werden Diagramme und Skalen geliefert. Damit wären heutige Auto-Fans grösstenteils völlig überfordert. Warum macht man das nicht mehr?

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Im eigenen beruflichen Umfeld stelle ich fest, dass die Menschen immer seltener bereit sind sich mit den Dingen die sie alltäglich nutzen auch auseinanderzusetzen. Wer sich in den 90ern einen Videorekorder kaufte und nur Filme abspielen wollte konnte ohne weiteres Erfolg haben ohne etwas zu lesen. Aber wer eine Videorekorder-Aufnahme programmieren wollte, kam nur noch durch Studium der Anleitung zum Ziel. Das war ganz normal. Aus heutiger Sicht ist es unmöglich eine Handy-App auf den Markt zu bringen die nur durch das Lesen einer Anleitung zu bedienen ist. Das würde schlicht keiner lesen. Egal wie kurz und prägnant diese Anleitung geschrieben ist.

Unter diesem Aspekt frage ich mich, wie lange es sich die Leute noch gefallen lassen für das bewegen eines Autos eine Fahrschule besuchen zu müssen. Ich wette, sobald es selbstfahrende Autos gibt, werden sich die Leute auch damit nicht mehr belasten und ohne Führerschein fahren.

Dieser Konfort wird meist nur durch massives reduzieren der Funktionalität erreicht!

Hersteller von Geräten und Software sind heute gezwungen, alles "selbsterklärend", "einfach", "intuitiv" und "idiotensicher" zu gestalten. Dieser Konfort wird meist nur durch massives reduzieren der Funktionalität erreicht! Die Produkte verrichten daher meist nur noch die grundlegende Funktionalität. Individualität und auch Kreativität sind dann stark eingeschränkt. Es geht nur noch, was exakt so vorgesehen ist. Abweichungen sind nicht möglich oder führen sofort zum Abbruch.

Ich wünsche mir, dass sich Menschen wieder mit dem Beschäftigen was sie tun. Dass sie nach Verständnis der Vorgänge streben. Hinter die Kulissen schauen.

Nicht falsch verstehen. Ich möchte nicht, dass jeder weiß wie man eine App programmiert oder ein Radio baut. Das ist gar nicht nötig. Aber wenn man etwas bedienen möchte, vor allem so etwas komplexes wie einen PC und dessen Software, muss es selbstverständlich sein sich dazu fortzubilden. Durch Kurse, durch eigene Recherche, Anleitungen lesen oder schlichtes Trial & Error. Und wenn man gezwungen wird eine komplexe Sache zu bedienen (zB Software/Gerät muss genutzt werden, weil der Arbeitgeber das verlangt), dann muss einem auch die Möglichkeit zur Fortbildung und zum Aufbau von Verständnis gegeben werden. Zum Beispiel durch Kurse oder gezielte Fort- und Weiterbildung während der bezahlten Arbeitszeit (!).

Ich kenne aus dem privaten und beruflichen Umfeld viele Leute die sich mit Software und Geräten beschäftigen müssen, weil das schlicht verlangt wird. Auch von ungelernten Mitarbeitern! Und gleichzeitig wird die Fortbildung und Einführung in die Software und Geräte auf Kosten des Arbeitgebers verweigert (zu teuer, keine Zeit, das geht schon oder lass es Dir von Kollegen erklären). Das Resultat ist ständige Unzufriedenheit auf allen Seiten (der Mist tut nicht was ich will), hohe Kosten (ständige Support- und Hotline-Anrufe, Fehler und Fehlersuche etc) und dazu noch recht häufig Selbstzweifel und das Gefühl der Unzulänglichkeit (bin ich zu blöd, oder was?).

Nehmt Euch die Zeit

Nehmt Euch die Zeit um euer Arbeits- oder Freizeitgerät zu erlernen. Zeit es zu verstehen und die Zusammenhänge zu erfahren. Dann löst ihr Probleme viel einfacher oder gebt im Zweifel wenigstens konstruktive Problembeschreibungen.

Arbeitgeber, investiert in die Fortbildung eurer Mitarbeiter*innen. Bezahlt und ermöglicht Kurse, gebt Zeit für Recherche oder eine gründliche Einweisung. Es lohnt sich. Finanziell und auch im Arbeitsklima.

 

 PS. Artikelfoto von Pixabay